BVerwG-Entscheidung: § 13b BauGB ist mit Unionsrecht unvereinbar

Freiflächen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde dürfen nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden. Das hat das BVerwG mit Urteil vom 18.07.2023 (Az. 4 CN 3.22) entschieden.

Die Aufstellung eines Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB hat für die planende Gemeinde v.a. den Vorteil, dass auf eine - in der Regel mit erheblichem Aufwand verbundene - Umweltprüfung verzichtet werden kann. Die bundesgesetzliche Regelung in § 13b BauGB soll Gemeinden diese Möglichkeit auch bei der Aufstellung von Bebauungsplänen mit einer Grundfläche von weniger als 10.000 qm eröffnen, "die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen".

Die Regelung wurde in der Rechtsprechung bislang nicht beanstandet (zum Beispiel VGH München, Beschl. v. 27.09.2021 – 1 NE 21.1820; OVG Lüneburg, Beschl. v. 23.03.2020 – 1 MN 136/19; OVG Bautzen, Beschl. v. 18.06.2020 – 1 B 232/20; VGH Mannheim, Urt. v. 11.05.2022 - 3 S 3180/19), vom 4. Senat des BVerwG nun aber für unionsrechtswidrig und damit nicht anwendbar erklärt. Zur Begründung der Entscheidung heißt es in der gestern veröffentlichten Pressemitteilung des Gerichts (Nr. 59/2023 vom 18.07.2023):

"Die Vorschrift verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL). Der nationale Gesetzgeber hat sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden. Diese muss nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber darf sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.

Diesem eindeutigen und strengen Maßstab wird § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollen, erlaubt § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – sind nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gilt schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.

§ 13b BauGB darf daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin hätte somit nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte, Verfahrensmangel hat die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge."

Diese - fristgerecht gerügten - Bebauungspläne sind sämtlich unwirksam. Bebauungspläne, die sich derzeit noch im Verfahren befinden, sind auf das normale Verfahren umzustellen.

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